Martin Lohmann, einer „der unter Katholiken bekanntesten Journalisten aus dem Erzbistum Köln und seit 1. Oktober 2012 Chefredakteur des Fernsehsenders K-TV“, hat kath.net zufolge eine Drohmail erhalten. Demnach sei ihm nach einem TV-Auftritt von einem Homosexuellen damit gedroht worden, mit Aids infiziert zu werden. Solche Drohungen sind perfide, feige und selbstverständlich auf das Schärfste zu verurteilen.
Dass kath.net aus dieser Mail offenbar einen weiteren Fall von Christenverfolgung in NRW konstruieren will, ist problematisch, war aber vorherzusehen. Begeistert wird Lohmanns Stellungnahme zitiert, in der er sich von Diskriminierung und Intoleranz distanziert, Respekt fordert und scheinheilig fragt, ob man denn jetzt keine Fragen mehr zum Thema Homosexualität stellen dürfe. Den Höhepunkt stellt dabei wie gehabt der Kommentarbereich dar, wo die LeserInnen die Mail eines offenbar durchgeknallten Menschen zum Anlass nehmen, ihrem Hass gegen alle Homosexuelle zu frönen.
Die Mail bestärkt sämtliche Vorurteile, die Rechtskatholiken so hegen: Homosexuelle sind böse, Homosexuelle sind krank, Homosexuelle nutzen ihre Krankheit, um anderen zu schaden, vorzugsweise verdienten Christen. Und so ist die Kommentarspalte dann auch bis zum Rand gefüllt mit irrationalen, homophoben Beiträgen. „Ulrich Motte“ etwa spricht von „Terror in der BRD“, der Lohmann bedrohe. „Silvio“ empört sich über den „papsthassenden Rot-Links-Grün(innen)en Medienapparat namens ARD“, der es zulasse, dass „Papsttreue Katholiken verbales und mediales Freiwild in Deutschland sind“. „ElCid“ frohlockt, eine Anklage wäre „heilsam für Homofundis“, die nun nicht mehr ihre „Moral,- Nazi,- und Diskriminierungskeule“ schwingen sollten. „Die Saat der Gewalt geht auf“, freut sich „hortensius“, nur um im nächsten Satz die kreuz.net-Berichterstattung des Spiegels anzuprangern. „Grazerin“ mutmaßt: „das kann nicht dem menschlichen Gehirn entspringen; da hat sich eine arme Seele dem Satan ausgeliefert und wir so zu seinem Werkzeug …“
„Unfassbar!! Wie aggressiv und totalitär diese Homos schon sind!!!! Widerlich!“, beschwert sich „Null8fünfzehn“, und „Echo Romeo“ murmelt „die ernste Anfrage, ob unsere Streitkultur nicht längst zu einer Konfrontationskultur verkommen ist. Da werden Priester von ungebildeten Unterschichten-TV-Teams verfolgt“. Schließlich seien die armen Priesternetzwerks-Sprecher „dem militanten Säkularismus unserer Gesellschaft“ ausgesetzt, dem „ein bodenloser, bedrohlicher Haß auf Andersdenkende“ entwachse. Toleranzexpertin „Selene“ findet:
Ich war immer dafür, Minderheiten zu respektieren, aber wenn Minderheiten wie die Homosexuellen anfangen, die Mehrheit zu tyrannisieren, kann ja wohl was nicht mehr stimmen.
Besonders häufig, neun mal in 35 Kommentaren, fällt der Begriff der „Homolobby“, mit dem sich die Fundamentalisten zu erklären versuchen, wieso sie mit ihrem Hass auf Homosexuelle gesellschaftlich relativ isoliert sind. „christawaltraud“ beispielsweise fantasiert davon, dass die Medien „vor der inzwischen etablierten Lobby der Homo- und Lesbenszene zu Kreuze kriechen“, während „M.Schn-Fl“ betont selbstlos warnt, die „Homolobby“ könne dafür verantwortlich sein, dass „eines Tages das Pendel wieder in die Gegenrichtung“ ausschlagen könnte. „Dismas“ wütet derweil:
Diese Homolobby drängt sich ständig in den Vordergrund. Als „Normalo“ kommt man sich schon als Minderheit vor!! Nun zeigt die militante von Intoleranz geprägte Homolobby ihr wahres Gesicht! – Wir Katholiken sind eine verfolgte Minderheit und dem Spott und der Gewalt preisgegeben, wie es der HERR gesagt hat… „
Bemerkenswert ist auch der feixende Kommentar von kath.net-Chef Roland Noé alias „Gandalf“. Er gibt sich „gespannt“, „ob sich Vertreter der Homosexuellen von diesem unglaublichen Vorfall distanzieren werden.“
Prioritäten setzen
Der Ausfall von kreuz.net ist für die rechtskatholische Szene erfreulich leicht zu verschmerzen: Die „katholischen Nachrichten“ über Homosexuelle übernimmt kath.net, der Kommentarbereich steht, wie oben dargelegt, für jeden Wirrkopf offen, der über eine Tastatur verfügt. Die Topmeldung dieser Tage, der päpstliche Twitteraccount, bewegte kath.net im Monat Dezember zu fünf Artikeln. Über Homosexualität erschienen im selben Zeitraum allein 10 Beiträge; nicht eingerechnet die Artikel über all jene liberalen Theologinnen und SPD-Kanzlerkandidaten, deren Haltung zur Homosexualität nur nebenbei kritisiert wurde.
Unter diesen Artikeln findet dann eine Hetze statt, deren Grenzen nach unten offen sind – vom Gepolter über die „Homolobby“ bis zum expliziten Vernichtungswillen ist alles zu finden. Wenn dann noch kath.net-Chef Noé, wie 2010 geschehen, mitgeifert, er würde seinen Kindern keinen „HOMO-Religionslehrer“ zumuten wollen, dann geschieht das auf exakt jenem Niveau, das bei kreuz.net so oft kritisiert wurde.
Die Aufregung über die Drohmail an Lohmann – und über die angebliche Bombendrohung gegen Hendrick Jolies Kirche – ist aber noch aus einem anderen Grund zutiefst bigott.
2008 sorgte der Liedermacher Clemens Bittlinger für einiges Aufsehen, als er einen papstkritischen Song präsentierte. Seite an Seite kämpften kath.net und kreuz.net damals um den lautesten Protest-Artikel. Wie noch heute bei jeder Kampagne üblich, veröffentlichte kath.net die Kontaktdaten des unliebsamen Sängers. Was folgte, waren hunderte Mails, in denen „Drohungen bis hin zur Aufforderung, Bittlinger umzubringen“, zu finden waren. kath.net berichtete dann zwar über „Gewaltandrohungen“, verlinkte Bittlingers Adresse aber weiterhin.
Blogger aus dem Umfeld von kath.net schickten einige Tage später ein anonymes Paket, das Bittlinger aus naheliegenden Gründen von der Polizei öffnen ließ. kath.net kommentierte das begeistert mit „Mensch Clemens“ und wies abermals auf Kommunikationsmöglichkeiten hin.
Danke an Jörg und Volker für die Hinweise.